Mittwoch, 4. März 2015

Mein erster Tag

Die Deadline rückt immer näher, aber ich weiß immer noch nicht, welcher Herausforderung ich mich in der dafür vorgesehenen Woche stellen soll. Meine Mutter stellt überraschenderweise die Rettung dar. Eine Kollegin von ihr kennt jemanden von dem "Institut für neue Medien" (der Name ist Programm) und die Idee wäre, ihn kurzfristig darum zu bitten, dass ich bei ihm eine Art Praktikum machen kann. Cool, denke ich mir und beginne wieder Hoffnung zu schöpfen. Nach ein paar Absprachen steht es dann fest: Ich kann eine Woche lang an dem Institut ein eigenes Projekt bearbeiten. Was ich mache und wie ich es mache, spielt dabei keine Rolle. Ich werde dort einen Ansprechpartner und einen Ort zum Arbeiten haben und mir werden alle Materialien zur Verfügung gestellt.
Nachdem ich mich gestern schon mit Herrn Ehrecke ein wenig über den Verlauf meiner Woche ausgetauscht habe, stehe ich heute um kurz vor neun vor der Frieda 23. Gerade, als ich nach dem Griff der Tür greifen will, schwingt diese von alleine auf. Modern, denke ich mir und muss schmunzeln, als ich an das Gebäude vor seiner Sanierung denken muss.
Das Büro von Herrn Ehrecke ist schnell gefunden und so sitze ich ihm kurze Zeit später gegenüber. Was genau ich bei ihm am "Institut für neue Medien" machen soll, war bisher noch nicht klar. Mir schwebte die Produktion eines Kurzfilms vor, da ich beim Produzieren meines Lyrikfilms in Deutsch ziemlich viel Spaß hatte. Es soll also wieder ein Kurzfilm sein, aber worum soll es gehen? Ängste? Oberflächlichkeit? Oder doch lieber etwas persönlicheres, wie beispielsweise meine Bewerbung für UWC? Und wo liegt da eigentlich die Herausforderung??
Bevor ich anfangen kann, meine Ideen bei ihm loszuwerden, fängt Herr Ehrecke an zu sprechen: Er fragt mich, ob ich die "Undine" kenne. Ganz tief in meinem Kopf, inmitten meines Nervengewebes regt sich etwas... Undinen - sind das nicht diese Wassergeister, die keine Seelen haben? Und was hat das jetzt mit Rostock zu tun?
Herr Ehrecke erklärt mir, dass die "Undine" ein altes Schiff ist, was in Rostock gebaut wurde und jetzt im Hafen liegt. Aktuell wird wohl darüber diskutiert, was mit ihr geschehen soll, da sie sehr kaputt, aber trotzdem ein technisches Denkmal ist. Zu diesem Thema soll ich recherchieren, Interviewpartner finden und mit denen reden, ich soll Fotos und Umfragen machen und am Ende ein Produkt erstellen, was am besten auch meine eigene Meinung als Unbeteiligter spiegelt. 
Puh, denke ich mir. Wo bleibt denn da der Spaß? Und was ist mit meinem Kurzfilm,  schießt es mir durch den Kopf. Alles in mir wehrt sich dagegen, denn mir ist klar, dass das keine Woche voller Entspannung und Spaß wird, sondern, dass ich wirklich arbeiten muss. Ich fühle mich immer noch innerlich durch den Geschichtswettbewerb ausgelaugt, an dem ich ein halbes Jahr saß - und nun? Schon wieder Interviews? Ich bin schon im Geiste dabei, mir eine Ausrede zu überlegen, als Herr Ehrecke meint, dass das nur eine Idee von ihm war und ich gerne auch etwas anderes machen kann. Allerdings vereint es viele verschiedene Arten der Arbeit.
Er hat Recht, muss ich verbissen feststellen. Und was wäre nun eine größere Herausforderung als das? Ehe ich es mir anders überlegen kann, sage ich ja. Na, das kann ja was werden... 
Wir gehen eine Treppe hinauf und biegen dann nach rechts und wieder nach links ab. Am Ende des Flures sehe ich eine blaue Tür. Während wir auf sie zugehen, betrachte ich die Bilder an der Wand - Mann, so eine Kunstschule ist echt inspirierend! Dann sind wir bei der Tür angelangt.
In dem Raum sitzen drei Personen an Computern. Ihre Gesichter wenden sich mir zu und mir wird mulmig zumute. Hilfe, Menschen! Wie kann man das einer Introvertierten wie mir antun?? Ausgerechnet gestern habe ich auch noch eine feste Zahnspange bekommen. Angeblich hat man mit der keine Schmerzen und erst recht keine sprachlichen Einschränkungen. Jaja, das hätten die wohl gerne: Mein Mund fühlt sich an, als hätte mir jemand alle Zähne rausgeschlagen und ich lispele. Hallo?? Lispeln!!! 
Mein Selbstbewusstsein ist im Keller - umso besser, dass die drei Personen still an ihren Computern sitzen und schweigend arbeiten. Hm, eigentlich doch gar nicht so schlecht, denke ich mir. In der Schule wäre es lauter.
Während der Computer hochfährt, zeigt Herr Ehrecke mir das Gebäude. Überall sind kleine Details mit ihren eigenen Geschichten versteckt - so kann man in einem der Treppenhäuser beispielsweise noch die Abdrücke der alten Treppe an der Wand erkennen. 
Schließlich kommen wir wieder in dem Raum am Ende des Flurs an. Der Rechner ist hochgefahren und bereit, genutzt zu werden. Und prompt stehe ich vor meiner nächsten Herausforderung: Ein Mac! Ich weiß echt nicht, wie Leute damit arbeiten können. Bis jetzt habe ich es nicht geschafft, den Internetexplorer im Vollbildmodus zu nutzen. Für das @-Zeichen habe ich zehn Minuten gebraucht (das macht man übrigens mit alt und l), aber inzwischen kommen wir doch irgendwie miteinander klar. 
Nachdem die gebürtige Windowsnutzerin den Schock überwunden hat, setzt sie sich vor den Bildschirm und beginnt mit der Recherche. "Undine Rostock" gebe ich in die Suchleiste ein und werde sofort fündig: Ein Wikipediaartikel (der ausnahmsweise mal nicht so kompliziert geschrieben ist) hilft mir weiter und erzählt mir die Geschichte der Undine alias Kronprinz Wilhelm. 
Die Undine ist wurde 1910 unter dem Namen "Kronprinz Wilhelm" als Seebäderschiff in Rostock gebaut. Während des ersten Weltkriegs diente sie als Tender (also als Versorgungsschiff - keine Sorge, ich musste das auch googlen). Danach setzte man sie wieder als Seebäderschiff ein und benannte sie 1920 in "Kronprinz" um. Dann kam der zweite Weltkrieg und sie wurde zum Minensucher und Wachschiff. Danach nutzte die Rote Armee das Schiff bis 1948 als Abfalltender. 1950 baute man sie dann von einem Dampfer in ein Motorschiff um und gab ihr den Namen "Undine". Die Undine wechselte von da an mehrmals den Besitzer, wurde einmal erneut in "Kronprinz" umbenannt und anschließend wieder in "Undine", sie lief auf Grund, wurde geborgen und nachdem sie von einem Verein zum nächsten gewandert bzw. gefahren ist, kam sie am 14. Oktober 2014 wieder zurück nach Rostock, wo sich nun die Frage stellt, was mit ihr passieren soll...
Ich bin relativ schnell im Arbeiten drin und verliere mich in der Geschichte des Bootes, bis ich vor genau der einen Frage stehe: Was soll mit ihr passieren? Im Internet scheiden sich die Geister, was diese Frage betrifft: die einen wollen das Schiff wieder aufbauen, die anderen wollen es als Denkmal an Land holen. Oder aber, man verschrottet es...
Um genauere Informationen zu bekommen, erstelle ich mir eine Liste mit Personen, die mir diese und weitere Fragen beantworten können. Herr Ehrecke ergänzt noch ein paar Namen und dann fange ich systematisch damit an, die Personen anzuschreiben. Erst relativ spät wird mir klar, dass es eigentlich klüger ist, direkt anzurufen. Einzig das Schifffahrtsmuseum hat die Ehre, meine Stimme zu hören. Man will mich zurückrufen, heißt es. Während ich meine Handynummer ins Telefon lispele, fällt mir auf, dass ich meine Telefonierangst während des letzten halben Jahres erfolgreich überwunden habe. Zumindest dafür hat sich das Projekt gelohnt, denke ich. Dann wird es sportlich: Ich soll zu der Undine fahren und Fotos machen. Nachdem ich das Schiff endlich gefunden habe und vor ihm stehe stutze ich: Der Begriff "Nussschale" ist an dieser Stelle ziemlich passend (mal abgesehen von der Größe). Ein stählerner Koloss, der sich im Laufe der Zeit rotbraun gefärbt haben muss, liegt vor mir. Im Prinzip ist die Undine eine rote Badewanne (Badewanne trifft es noch besser!). Etwas verdutzt hole ich die Kamera heraus. Vielleicht war es die Überraschung über das Aussehen des Schiffs, jedenfalls probiere ich mehrere Minuten lang ein Foto zu schießen, aber es funktioniert nicht, bis ich merke, dass ich den Objektivdeckel gar nicht abgemacht habe.        Ja, du kannst dir an dieser Stelle gerne deinen eigenen Teil denken...
Nun ja, irgendwie habe ich dann doch ein paar halbwegs gute Bilder zustande gebracht et voilà, hier sind sie:
 





      
       
    
Irgendwann bin ich dann mit den Aufnahmen zufrieden und fahre wieder gen Frieda. Der Gegenwind erschwert mir die Fahrt, aber schließlich bin ich dann nach einer halben Ewigkeit doch wieder bei der Schule. Dort ziehe ich die Fotos auf den Rechner und stelle mich meiner nächsten Herausforderung: Adobe Photoshop CS5.1.
Herr Ehrecke fragt mich, ob ich schon mal mit einem Bildbearbeitungsprogramm gearbeitet habe und ich erinnere mich an meine Zeit mit Paint zurück und nicke. Gut, so unerfahren bin ich Dank des Informatikunterrichts auch nicht, aber mit Photoshop habe ich noch nie gearbeitet... Während das Programm startet, erklärt Her Ehrecke mir, dass ich aus meinen Fotos eine Collage erstellen soll, die ich bei meiner Umfrage in der Stadt verwenden kann. Eine Collage? Das ist ja einfach!
Nein! Eine Collage mit Photoshop zu erstellen ist nicht einfach! Zwar ist alles auf Deutsch, aber mehr als Bahnhof verstehe ich nicht. An genau diesem Punkt gibt es nur noch eine Rettung: Meinen besten Freund - Google! Auf Youtube finde ich ein Video, wie man eine Collage mit Photoshop erstellt. Zwar ist es auf Englisch, aber wenigstens verstehe ich hier etwas.
Mit YouTubes und Herrn Ehreckes Hilfe schaffe ich es schließlich, eine Collage zu erstellen. Ich schaue auf die Uhr - 15:00. Für meinen ersten Tag habe ich ziemlich viel geschafft. Zufrieden mit mir fahre ich nach Hause. Dort angekommen, bin ich noch so im Arbeitsmodus drin, dass ich als Tagesabschluss bei dem "Amt für Kultur, Denkmalpflege und Museen" anrufe und dort einen Interviewtermin für den nächsten Tag um 10:00 Uhr ausmache.
Mal sehen, was der nächste Tag bringen wird - ich bin gespannt!

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