Freitag, 6. März 2015

Und es geht weiter...

Es ist ein regnerischer Morgen und ich mache mich auf den Weg zur Frieda. In der Ferne kann ich das große, weiß-gelbe Gebäude ausmachen. Gerade als ich auf den Vorplatz einbiegen will, rutschen meine Reifen auf dem nassen Pflaster weg und ich falle hin. In Zeitlupe und mit epischer Musik im Hintergrund, wäre es sicherlich noch spektakulärer gewesen, aber letztendlich liege ich total unspektakulär auf dem Boden und überlege, ob ich mich ernsthaft verletzt habe. Meine Knie fühlen sich etwas mitgenommen an, aber zum Humpeln reicht es. 
Ich schleppe mich die Treppe rauf und lasse mich auf meinen Platz fallen. Herr Ehrecke kommt ins Zimmer und ich erzähle ihm von dem bevorstehenden Interview. Im Anschluss erstelle ich mir einen Fragenkatalog, der sich hauptsächlich auf die aktuelle Situation bezieht. Für alle, die es interessiert - das waren meine Fragen:


-Wie sieht es aktuell mit der Undine aus? Gibt es feste Pläne für die Zukunft?
-Wie sieht das Denkmalsamt die Frage nach dem Status eines technischen Denkmals?
-Wäre die Undine noch ein Denkmal, wenn sie wieder aufgebaut ist oder wäre es dann ein Replikat? (Wovon hängt das ab?)
-Woher soll das Geld für die Umsetzung der Pläne kommen?
-Wie steht die Stadt zur Finanzierung?
-Wieso ist es so wichtig, dass die Undine erhalten bleibt?
-Momentan ist die Undine ja im Besitz eines Vereins, in dem sich eher ältere Menschen engagieren. Für den Fall, dass die Undine restauriert wird, denken sie, dass sich meine Generation weiterhin um sie kümmert?


Mit diesen Fragen im Gepäck fahre ich kurze Zeit später los und halte zehn Minuten später vor dem Mönchentor und suche den Eingang. Was ich nämlich bis dahin nicht wusste: Das Amt befindet sich in dem Tor. 
Ich klingele und kurz darauf ertönt der Summer. Die Tür ist schon offen, stelle ich überrascht fest und drücke sie auf. Ein paar Stufen später begrüßt mich ein in der Tür stehender Mann. Das muss der Mann sein, den ich interviewen werde... Wir gehen in das Gebäude und steigen eine Treppe rauf. Er deutet auf einige Kleiderhaken, die an der Wand hängen und sagt "das ist die Garderobe, die kann man nicht nur angucken". Huch, denke ich mir, was wird das denn? Ich hänge meine Sachen an und setze mich ihm gegenüber an einen Tisch. Wir plaudern eine Weile und er gewinnt die verlorenen Sympathiepunkte wieder zurück, dann beginnen wir mit dem Interview.
Ich möchte von Herrn Writschan wissen, was die Pläne für die Undine sind und er erzählt mir, dass man den Rumpf auf jeden Fall erhalten möchte.  Dabei geht er darauf ein, wieso man das überhaupt machen sollte. Er sagt, die Undine hat schon so viel erlebt - von den Kriegen, über die Wirtschaftskriminalität nach der Wende, bis hin zu ihrer Rettung durch engagierte Vereine - dass alleine die Symbolik des Seebäderschiffes bedeutend ist.
Des Weiteren erzählt er, dass man das Schiff an Land setzen will. Momentan sind dafür die Helling (da wurde die Undine gebaut) und die Fläche am Kabutzenhof im Gespräch. Dann soll ein Deck raufgebaut werden, sodass es von innen begehbar ist. Danach könnte man noch ein Dach raufsetzen, um den Raum für Veranstaltungen nutzen zu können.
Ob diese Pläne jetzt aber genauso oder doch ganz anders umgesetzt werden, ist noch nicht klar - das Ganze ist wohl noch etwas vage.
Dann will ich wissen, was genau von der Undine ein Denkmal ist und wie es ist, wenn sie ein Dach hat. Herr Writschan erklärt mir, dass der Rumpf das Denkmal ist. Er findet, wenn man die Undine wieder in Fahrt bringen wollte, sollte man gleich ein Replikat bauen und den Rumpf nur als Denkmal erhalten.
In meinem Kopf mischen sich mit den Plänen für die Undine auch Zahlen... Wer soll das alles eigentlich bezahlen? Der Stadtkonservator meint dazu, dass das Ganze eine Gemeinschaftsaktion wäre. Sowohl der Verein, die Stadt und einige Sponsoren müssten dafür aufkommen, um die Pläne finanzieren zu können. Aktuell sammelt der Verein wohl schon Spenden für den Neuaufbau des Decks. Wie sich das alles aber entwickelt, muss man abwarten...
Bei meiner letzten Frage dann, stelle ich fälschlicherweise die Behauptung auf, dass sich vorwiegend ältere Leute im Verein engagieren - ein Trugschluss, wie mich Herr Writschan aufklärt. Früher haben sich viele maritime Vereine gegründet, in denen die die ehemaligen Seefahrer Mitglieder waren, aber bei dem Freundeskreis für Maritimes Erbe soll das anders sein. Dort haben sich auch viele junge Menschen angefunden: Die meisten sind zwischen 20-40 Jahre alt, erzählt er mir. Ich bin überrascht, weil ich das nicht erwartet habe. Aber klar, wieso auch nicht, denke ich mir.
Als das Interview zu Ende ist, bitte ich meinen Interviewpartner um ein Foto von ihm und mache auch noch eins vom Gebäude.






Ich gehe langsam in Richtung Innenstadt und mache mir dabei Gedanken über das Interview. Auf jeden Fall war es informativ, stelle ich fest. Viele Informationen findet man gar nicht im Internet und mit jemandem zu reden, der sich wirklich damit auskennt, ist bei Weitem besser, als das blinde Vertrauen in fragwürdige Internetquellen. Aber wie stehe ich nun zu dem Thema?
Ich erinnere mich an Herrn Writschans  Aussage zurück, dass die Undine nicht nur ein Denkmal, sondern auch ein Symbol sei. Ein Symbol...  Ein Symbol für Durchhaltevermögen? Ein Symbol für Beständigkeit? Für Stärke, trotz fehlendem Deck und Rost? 
Ich schätze, für viele, die sich mit dem Schiff auseinandergesetzt haben, ist sie ein Symbol - für was auch immer, aber mich fasziniert vielmehr der Gedanke daran, dass schon Menschen, die hundert Jahre vor mir gelebt haben, dieses Schiff einmal betreten haben. Und dann ist da ja auch noch  die Tatsache, dass die Undine unzählige Male gerettet wurde: Sie wurde von einer Bombe getroffen, sank zweimal, er- und überlebte die Wende und bekam dabei immer wieder Hilfe von Menschen, die mehr als nur ein altes Seebäderschiff in ihr sahen. Wenn man also ihre Geschichte im Ganzen betrachte, stellt sich einem die Frage, wieso man jetzt aufgeben sollte. Ist es dann nicht so, dass all die Bemühungen vieler Menschen umsonst gewesen wären? Andererseits muss man sich vielleicht auch die Frage stellen, wann genug ist - soll man sich jetzt bis in alle Ewigkeit um eine rote Badewanne kümmern? Zumal ja auch viel Geld mit dranhängt...
Besonders bei den Fördergeldern, die unsere Stadt diesem Projekt zur Verfügung stellt, bin ich kritisch: sollte man das Geld nicht eher für Dinge wie bessere Bildung oder das Asylbewerberheim einsetzen? Aber gut, bei solchen Fragen kann man fast immer mit dem Argument kommen, dass das Geld woanders besser aufgehoben ist.
Und trotzdem: Muss man die Undine wirklich erhalten? In meiner Vorstellung ist der Bau eines fahrtüchtigen Replikats fast sinnvoller - da können dann wenigstens auch Menschen mitfahren und der Tourismus könnte angekurbelt werden, aber gut, die Entscheidung liegt nicht in meiner Hand...

Hier kannst du dir das Interview anhören:


Während ich mein Fahrrad über den Neuen Markt schiebe, bereite ich mich gedanklich auf die bevorstehende Umfrage vor. Kurz bevor ich beim Brunnen der Lebensfreude angekommen bin, sehe ich zwei Personen mit Kamera und Mikrofon. "TV Rostock" steht auf der Jacke des Kameramanns. Ah, Konkurrenz, denke ich und muss schmunzeln. Dann gehe ich halt an eine andere Stelle! Ein paar Schritte weiter sehe ich einen WWF-Stand und ein paar Leute, die anscheinend zum Spenden auffordern. Innerlich mache ich mich auf meine (natürlich höfliche) Abweisung gefasst, aber als mir der freundlich aussehende Typ die Frage stellt, was ich in der Stadt mache, erzähle ich ihm von meinem Vorhaben mit der Umfrage. Wir machen einen "Eine Hand wäscht die andere"- Deal. Er wird mir was erzählen und ich stelle ihm meine Fragen. Leider hat sich der junge Mann bei meinem Alter verschätzt (auf die Frage, wo ich studiere, sage ich ihm, dass ich noch nicht mal volljährig bin) und meine Vermutung, dass er mich zum Spenden ermuntern wollte, bestätigt sich. Trotzdem lasse ich mir die Chance nicht entgehen und zeige ihm die Collage zur Undine. Er scheint sie nicht zu kennen, aber mit dem Wissen ihrer Geschichte und der Bedingung, dass es finanziell im Rahmen bleibt, würde er sie erhalten wollen. 
Ich mache mich wieder auf den Weg und schließe mein Fahrrad an. Dann geht es richtig los. Meine ersten Versuche scheitern kläglich - ich werde entweder ignoriert oder abgewiesen. Nach und nach werde ich aber selbstbewusster und entwickele einen Blick für gute Gesprächspartner. 
Die Antworten, die ich erhalte sind sehr geteilt: einige Wissen von der Undine, andere hören zum ersten Mal von ihr. Dabei stelle ich fest, dass die Antwort vor allem vom Alter abhängt - bei älteren Menschen wussten alle, worum es sich bei der Undine handelt. 
Genauso geteilt sind die Meinungen bei der Frage nach der Erhaltung: die einen sagen eiskalt "Verschrotten!", während sich andere klar für die Erhaltung aussprechen.
Verschiedene Meinungen, soweit das Auge reicht. Irgendwann brummt mir der Kopf und ich hole mein Fahrrad, um zurück zur Frieda zu fahren. Gerade als ich an dem Kröpeliner Tor vorbeifahren will, höre ich wie jemand meinen Namen sagt. Ich drehe mich um und sehe eine Klassenkameradin mit einem Klemmbrett in der Hand. Automatisch muss ich grinsen, weil mir einfällt, dass ihre Herausforderung für diese Woche Umfragen sind. Wir tauschen uns in bisschen über die Erfahrungen als Umfrager aus und gehen dann wieder getrennte Wege. Schon lustig, denke ich, in gewisser Weise habe ich nicht nur eine Herausforderung, sondern ganz viele kleine... Ein bisschen stolz auf mich selbst und mit einem Lächeln auf den Lippen (ein Grinsen ist mit Zahnspange nicht mehr drin), fahre ich gen Kunstschule.
Dort angekommen stelle ich Herrn Ehrecke die Frage, wie es eigentlich rechtlich mit den Umfrageaufnahmen aussieht. Brauche ich nicht eine Genehmigung von den jeweiligen Personen? Herr Ehrecke bestätigt meine Vermutung. Glücklicherweise bin ich nicht so enttäuscht, sondern betrachte das Ganze mehr als eine Art Übung. Außerdem scheint es erlaubt zu sein, die Befragten zu zitieren - dann kann ich mir das also zunutze machen...
Ich betrete den Raum mit dem von mir gefürchteten Mac und ziehe mir dann die Fotos und Aufnahmen auf den Rechner. Während ich mir die Aufnahmen anhöre, muss ich feststellen, dass viele vom Wind attackiert wurden und sich nicht so gut anhören - von daher ist es also nicht schlimm, dass ich sie nicht verwenden darf. Ich sortiere gerade die Aufnahmen, als sich ein merkwürdiges Geräusch in die Musik, die höre, mischt. Zuerst denke ich, dass die anderen Leute im Raum laut Musik hören, bis mich Herr Ehrecke darauf hinweist, dass mein Handy klingelt. (An dieser Stelle muss ich dazu sagen, dass ich mein Handy so gut wie nie anschalte - sprich, es klingelt nur sehr, sehr selten.)
Bevor ich allerdings annehmen kann, bricht das Geräusch ab. Ein Blick auf die Nummer verrät mir, dass es das Schifffahrtsmuseum in der August-Bebel-Straße ist. Ich rufe zurück und eine Frau meldet sich am Apparat. Sie bietet mir ein Buch an, das ich mir ausleihen könnte, aber ich erkläre ihr, dass ich eher an der aktuellen Geschichte zur Undine interessiert bin. Daraufhin gibt sie mich an ihren Vorgesetzten weiter. An dieser Stelle wird es komisch: Er erklärt mir, dass er sich nicht zu den Plänen äußern möchte, weil es "ein heißes Thema ist" und, dass ich lieber mit dem Verein darüber sprechen sollte. Als ich ihm sage, dass ich den schon angeschrieben habe, murmelt er "Ja, und die haben nicht zurückgeschrieben, richtig? Typisch!" ins Telefon. Ich korrigiere ihn, denn ich habe sehr wohl eine Antwort bekommen, und wundere mich über seine Antihaltung. 
Nach dem Gespräch erzähle ich Herrn Ehrecke alles. Der erzählt mir daraufhin, dass viele Vereine und Museen in einer Art Netzwerk sind. Seine Vermutung dazu ist, dass sich in einem solchen Netzwerk niemand auf die Füße treten will, um auch in Zukunft mit den anderen Vereinen kooperieren zu können. Krass, wie viel eigentlich hinter so einer Geschichte steht! Ich fühle mich ein wenig an die Schule erinnert. Für mich ist die Schule ein Ort, an dem sich unglaublich viele Gruppen und Untergruppen bilden. Wer sich da bewusst gegen eine Gruppe stellt, indem er beispielsweise eine andere Meinung publiziert, macht sich damit angreifbar. Ehe man sich's versieht, hat man einen Haufen Menschen gegen sich aufgebracht (was in einer Gesamtschule, in der man die komplette Schulzeit mit denselben Leuten verbringt, eher unklug ist).
Bei mir in der Schule kann ich dieses Verhalten teilweise noch verstehen, dass sich das aber bis in die Arbeitswelt überträgt, ist mir neu, beweist aber, dass Erwachsene im Inneren häufig auch nur Kinder sind.
So viele neue Informationen! Wie soll ich das alles jetzt bloß unter einen Hut bekommen? Herr Ehrecke ist für eine Art Power Point Präsentation, mir schwebt eher eine Art Zeitungsartikel vor, bei dem ich meine eigene Meinung noch mehr einfließen lassen kann. Allerdings wäre das dann kein "echter" Zeitungsartikel, da diese im Allgemeinen sachlich geschrieben sind. Dann habe ich aber einen Geistesblitz: Ich kann doch einen Blog schreiben! Herr Ehreckes Vorschlag dazu ist, für jeden Tag, den ich hier arbeite, einen Eintrag zu schreiben. Ich bin begeistert und neu motiviert. 
Vor einer Weile habe ich schon mal einen Blog erstellt, weswegen ich mich ein wenig damit auskenne. Ich mache mir also einen neuen Account bei Google und richte mir den Blog ein. Dann fange ich an zu schreiben. 
Ich weiß echt nicht, wie lange ich da saß und ununterbrochen getippt habe, aber es war sehr lange. Mit Sicherheit über eine Stunde. Und der Text war immer noch nicht fertig! Ich bekam ein paar Zweifel, ob sich das überhaupt jemand durchlesen würde, aber ich hatte einfach verdammt viel Spaß an der Schreiberei, so dass ich den Gedanken von mir weg schob. Falls du es also bis hier hin geschafft haben solltest: Congratulations! :D
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon 15.00 Uhr war. Ich hatte das Vergehen der Zeit gar nicht mitbekommen und im Eifer des Gefechts nicht mal eine Pause gemacht. Aber es ging mir blendend. Ich war total zufrieden mit mir selbst und meiner Arbeit und so fuhr ich ein paar Minuten später (mit Herrn Ehreckes Hilfe - ich weiß nicht, wie man einen Mac bedient) den Rechner runter und fuhr nach Hause.

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